Fragebogen Börsenblatt Februar 2017

Fragebogen Börsenblatt Februar 2017

Kathrin Schärer über die Entstehung eines Bilderbuches

mit freundlicher Genehmigung des Kindermuseums Baden

Häufig gestellte Fragen

Woher nimmst du deine Ideen?
Manchmal aus Beobachtungen von Szenen, Menschen, Tieren, skurrilen Situationen, manchmal aus (Kindheits-)Erinnerungen, oft aus Büchern, Filmen, Plakaten, Bildern, die mir begegnen.
Das sind meist nur einzelne Sätze, Szenen, Stimmungen, die mich auf die Idee einer Geschichte bringen. In der Inszenierung baue ich gerne Landschaften, Objekte und Figuren ein, die mich selbst umgeben, die ich mag, oder ich setze Kunst- oder Filmzitate, die mir gefallen, als Metaphern für Stimmungen ein.
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nosferatu

Was ist zuerst da, der Text oder das Bild?
Wenn der Text von mir stammt, schreibe ich zuerst den Text mit Bleistift auf Papier und tippe ihn danach mit Seiteneinteilung in den Computer, aber ich habe während dem Schreiben bereits die Bilder im Kopf und kann dann schreiben, was ich später zeichnen möchte.
Wenn ich einen Text von einem Verlag angeboten bekomme, ist dieser zwar noch unlektoriert, aber die Geschichte steht bereits, bevor ich mit den Bildern zum Zug komme.
Wenn der Text von Lorenz Pauli stammt, ist nochmals alles anders. Durch unsere langjährige Zusammenarbeit hat sich ein Vertrauensverhältnis und eine Übereinstimmung entwickelt, die für mich einmalig ist. Oft entwickeln wir Ideen im Voraus-Gespräch, bevor Lorenz mit Schreiben anfängt und ich habe die Möglichkeit, bei der Wahl der Protagonisten Einfluss zu nehmen. Und bei fast jedem Pauli-Text, den ich dann lese, habe ich das Gefühl, er habe ihn just für meine Figuren geschrieben.

Wie entsteht ein Bilderbuch?
Ich lese den Text sorgfältig durch, schliesse die Augen und lasse meinen inneren Film ablaufen. Bei einem guten Text sind bereits beim ersten Durchlesen die meisten Bilder im Kopf geboren.
Danach mache ich auf billigem A4-Recycling-Papier kleine Bleistift-Skizzen ca. Grösse A6, ein schnelles Kritzeln und Entwerfen von Bildkompositonen, bei dem ich mich nicht mit Details oder Figurenentwicklung aufhalte.
Dann arbeite ich die Skizzen auf A4 detailierter aus, ebenfalls mit einem weichen Bleistift.
Jetzt wird anhand der Skizzen zusammen mit dem Lektor/der Lektorin das Format bestimmt.
Ein Bilderbuch hat in der Regel 13 Doppelseiten plus vorderer und hinterer Vorsatz (das sind die Seiten, die auf dem Umschlagkarton kleben). Bei der Formatwahl richtet man sich nach den Druckmaschinen. Ein Bilderbuch mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis sollte auf zwei beidseitig bedruckten Druckbogen Platz haben. (Wenn wegen grösseren Seiten mehr Bogen gebraucht werden, wirkt sich das auf den Verkaufspreis aus.)
Anhand von Skizzen und Text entsteht das Storyboard (ein Seite für Seite durchskizziertes Heft oder pdf mit bereits eingesetztem Text, damit klar ist, wieviel Platz der Text einnimmt).
Nach einer ersten Feedbackrunde mit dem Lektorat geht es an die farbige Umsetzung.
Ich arbeite mit zwei Techniken. Bei der einen grundiere ich die Figuren mit brauner Tusche, gestalte die Hintergrundflächen mit farbiger Tusche und bemale danach die Figuren mit Farbstift und Ölkreide. Das ermöglicht flauschiges Fell und feinste Fellhäärchen.
Bei der zweiten Technik arbeite ich mittels Collage. Ich zeichne die Figuren mit Farbstift und Ölkreide auf braunes Papier (das gibt einen warmen Fellton und die hellen Farben zeichnen schön). Danach schneide ich sie grob aus, ziehe sie auf eine hauchdünne Klebefolie auf und schneide sie mit dem Skalpell aus. Die Hintergrundflächen gestalte ich mit farbigem Papier, mit Tusche und Kreide bearbeitet. Diese Technik lässt vieles bis am Schluss offen. Ich kann die ausgeschnittenen Figuren hin und her schieben, verschiedene Hintergründe ausprobieren und bis ganz am Schluss noch Flächen, die sich im Ablauf der Buchseiten als nicht stimmig zeigen, auswechseln. Der Seitenablauf sollte spannend und abwechslungsreich sein und Inhalt und Stimmungen der Figuren unterstützen. Ich mag eine Art filmische Umsetzung bei einem Bilderbuch und sehe mich als Regisseurin, Kamerafrau, Bühnen- und Kostümbildnerin in einem, wechsle gern die „Kameraeinstellung“ von Totaler zu Zoom, um die Dramatik zu erhöhen, von Auf- zu Untersicht, je nach Inhalt und Figur/Figurenstimmung, die gezeigt werden.
Die Bilder werden mit Lektorat und Autor besprochen und überarbeitet. Danach ist meine Arbeit erledigt.
Nun werden die Bilder gescannt, der Typograf/die Typografin setzt den Text, nach Probedrucken werden letzte Farbkorrekturen angebracht. Es werden gefaltete Vorausexemplare gedruckt für die VertreterInnen, die diese mit auf ihre Reise in die Buchhandlungen nehmen.
Das Buch wird auf grosse Druckbogen gedruckt, geschnitten, gebunden, geklebt und nach entsprechender Bestellung der BuchhändlerInnen in die Buchhandlungen ausgeliefert und dort, wenn ich Glück habe, gut sichtbar präsentiert und wenn ich noch mehr Glück habe, von DIR entdeckt und gelesen…

Wie lange dauert die Arbeit an einem Buch?
Mit allen Voraus-Gesprächen und Gedanken etwa 1 bis 2 Jahre.
Die eigentliche Arbeit an den Bildern dauert ca. 4 bis 5 Monate.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Illustratorin zu werden?
Ich habe schon als Kind sehr gerne gezeichnet und hatte 8 Jahre lang privaten Mal- und Zeichenunterricht.
Als meine Nichte 4 Jahre alt war, wollte ich ihr zu Ostern ein Bilderbuch schenken und fand keines, das mir wirklich gefiel, deshalb zeichnete ich selbst eins. Ich illustrierte das Lied „Ohr verlore“ von stiller has. Das gefiel meiner Nichte – und mir auch. So begann alles.
Ich schickte das Büchlein an viele Verlage und bekam nur Absagen. Darauf illustrierte ich nochmals ein Lied: „Giraff unterem Bett“ von den Lovebugs, Text: Lorenz Pauli. Dadurch lernte ich Lorenz kennen – the beginning of a beautiful friendship!
Ich schrieb und illustrierte selber eine Geschichte und ging damit und mit einer Mappe an die Frankfurter Buchmesse von Stand zu Stand. Eine schwierige Angelegenheit mit vielen Absagen, aber auch Interesse und Kontakten. Bald danach konnte ich bei Sauerländer 2001 mein erstes Bilderbuch „Bella bellt und Karlchen kocht“ veröffentlichen und damit nahm die Sache ihren Anfang.

Was hast du für eine Ausbildung? Wie wird man Illustratorin?
Ich habe nach der Matur den Vorkurs A an der Hochschule für Gestaltung Basel besucht, danach noch den erweiterten Vorkurs „Raum und Körper“. Nachher besuchte ich drei Jahre lang die Fachklasse „Lehramt für bildende Kunst“ (die Ausbildung zur Zeichenlehrerin). Dadurch lernte ich die unterschiedlichsten Techniken kennen, eigentlich das Handwerk.
Bilderbuchillustration habe ich in erster Linie durch die Praxis gelernt und durch die konkrete, hilfreiche Unterstützung bei der Umsetzung von Ideen durch meinen Lektor Hans ten Doornkaat. Und mit den Jahren füllte sich mein Bücherregal mit Bilderbüchern, die mir aus unterschiedlichsten Gründen gefallen, ich lerne viel beim Untersuchen, wie KollegInnen Seiten gestalten oder Techniken einsetzen.

Hast du Vorbilder?
Mein grösstes Vorbild ist und bleibt Wolf Erlbruch.
Ich mag aber sehr viele Stilrichtungen, auch ältere Semester.
Ein bunter Mix an Auswahl: Alois Carigiet, Hans Fischer (fis), Niklaus Stöcklin, Heiri Strub, Tomi Ungerer, Walter Trier, Herbert Leupin, Windsor McCay, Maurice Sendak, Gabrielle Vincent/Monique Martin, Henriette Sauvant, Nikolaus Heidelbach, Rotraut Susanne Berner, Jutta Bauer, Wiebke Oeser, Jacky Gleich, Shaun Tan, Eva Muggenthaler, Aljosch Blau, Ole Könnecke

Welches ist dein Lieblingsbilderbuch?
Die Kategorie „das Beste“, „das Liebste“, „das Tollste“ mag ich eigentlich nicht besonders. Je nach Stimmung und Thema variiert das und wie vorher aufgelistet, mag ich sehr viel verschiedene Stilrichtungen.
Wenn ich aber partout einen Titel nennen muss, dann Werner Holzwarth/Wolf Erlbruch: „Der Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“.

Welches war in deiner Kindheit dein Lieblingsbuch?
Die Bildergeschichten „Muffel und Plumps“ von Lilo Fromm. Später Comics – Donald Duck, Asterix und Obelix, Tim und Sruppi.

Warum zeichnest du vor allem Tierfiguren?
Mir ist wichtig, die Befindlichkeit meiner Figuren variationsreich darstellen zu können, und bei Tierfiguren habe ich viel mehr Möglichkeiten, Emotionen zu zeigen – herunter hängende Ohren, gesträubtes Fell, Zähnefletschen, schreckgewellter Schwanz etc. Ausserdem habe ich die grössere Palette an Farb- und Oberflächenstruktur-Möglichkeiten. Und die Genderfrage ist kein Thema – ob die Maus eine Mädchenmaus oder eine Jungenmaus ist, kann jedes Kind für sich entscheiden.
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Warum zeichnest du so oft Mäuse?
Mäuse eignen sich vom Körperbau her gut, um sie menschlich agieren zu lassen. Sie können auf zwei Beinen stehen und haben filigrane Fingerchen, womit sie etwas in die Hände nehmen können. Da es ein kleines Tier ist, das sich vielleicht in einer Geschichte gegen ein grösseres durchsetzen muss, können sich Kinder gut mit Mäusefiguren identifizieren. Und ausserdem gefallen mir Mäuse.

Verkaufst du deine Originale?
Nicht ganz alle. Aber die meisten verkaufe ich, z. Bsp. an Ausstellungen oder auf Anfrage.

Ich habe eine Geschichte geschrieben und möchte daraus ein Bilderbuch machen. Wie gehe ich vor?
Als erstes schaust du dich im eigenen Bilderbuchregal oder in einer Buchhandlung um. Schreibe dir die Verlage heraus, die dir entsprechen. Such dir im Internet die entsprechenden Adressen heraus und schicke deine Geschichte einer Lektorin/einem Lektor. Danach brauchst du viel Geduld. Verlage bekommen bergenweise Manuskripte zugeschickt, das Durchlesen und Antworten braucht viel Zeit. Und wenn du eine Absage bekommen solltest, versuchst du dein Glück bei einem anderen Verlag.
Ich bekomme immer wieder Anfragen von Menschen, die ihre Geschichte von mir illustriert haben möchten. Das ist der falsche Weg. Zuerst braucht es einen Verlag, dann kommt die Illustratorin/der Illustrator ins Spiel. Verlage wollen mitbestimmen, wer illustriert und in ihr Programm passt.